Resolution des SPD-Parteivorstands zum Internationalen Frauentag am 8. März 2021:
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Seit gut einem Jahr hat die Corona-Pandemie die Welt fest im Griff.
Ein Jahr, das in Deutschland geprägt war von „Shutdowns“ und „Teil-Shutdowns“ - das viele Menschen an ihre Grenzen gebracht hat, ein Jahr, das uns allen die Schwächen bei der Gleichstellung der Geschlechter schonungslos vor Augen geführt hat.
So haben jedenfalls viele Frauen, insbesondere diejenigen mit geringeren Einkommen, in Zeiten ausfallender staatlicher Infrastruktur in Kitas, Schulen, ambulanter Pflege beruflich zurückgesteckt und die Familie versorgt - auch weil geringfügige Beschäftigungsverhältnisse schneller und stärker weggefallen sind als andere Jobs. Und auch am oberen Ende der Einkommensskala gingen mit der Krise die ersten zaghaften Erfolge der vergangenen Jahre verloren: Der Frauenanteil in den deutschen Unternehmens-Vorständen sank wieder, während er in anderen westlichen Industrieländern stieg.
Wir meinen: So etwas darf nicht noch einmal passieren!
Wir müssen alle Systeme in allen Bereichen so fit machen, dass Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland endlich vollendet wird und kein Schönwetterprojekt ist. Bei uns gibt es nicht nur Applaus in Krisenzeiten – sondern wir sind immer auch Anwält*innen für eine faire Entlohnung, Beteiligung und Partnerschaftlichkeit in Beruf und Familie. Für eine Gesellschaft der Augenhöhe, des Respekts und des Zusammenhaltes.
Wir lassen Frauen nicht alleine damit, „den Laden zu schmeißen“. Nicht in der aktuellen Krise und erst recht nicht nach der Bundestagswahl. Wir kümmern uns um den politischen Rahmen und sorgen für Verbesserungen und Unterstützung – heute, morgen und übermorgen. Und wir haben mit Olaf Scholz den Kanzlerkandidaten, der glaubwürdig für die notwendigen Schritte steht.

  1. Eine faire Entlohnung für die, die den Laden am Laufen halten

Applaudierend standen im vergangenen Jahr die Menschen in Deutschland an offenen Fenstern oder auf ihren Balkonen. Sie dankten so dem Pflegepersonal und Ärzt*innen, aber auch den Beschäftigten im Einzelhandel und allen anderen, die ohne Pause gegen das Coronavirus im Einsatz waren und sind.
Die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals in den Krankenhäusern und Altenheimen wird dieser Arbeit allerdings nicht gerecht. 80% der in diesen Berufen Beschäftigten sind Frauen. Der Einzelhandel, die Logistik und die Gastronomie zählen ebenfalls zu den unterbezahlten Branchen. Deshalb brauchen wir mehr flächendeckende Tarifverträge in all diesen Bereichen und Maßnahmen gegen den Personalmangel, vor allem in den Krankenhäusern und in der Altenpflege. Für die Pflege setzt Hubertus Heil als Bundesarbeitsminister derzeit alles daran, dass es schnell zu Verbesserungen bei den Löhnen kommt. Unser Ziel ist ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in der Pflege. Aktuell lehnt ein Teil der Arbeitgeber bei Caritas und Diakonie es ab, über einen flächendeckenden Tarifvertrag abzustimmen. Wir rufen sie auf, ihre Position zu überdenken.
Aber auch in Branchen mit einem insgesamt guten Lohnniveau gilt immer noch allzu oft: Frauen verdienen pro Stunde weniger als Männer – und bekommen später entsprechend geringere Renten. Damit muss endlich Schluss sein. Das Prinzip des gleichen Lohns für die gleiche und gleichwertige Arbeit muss auch zwischen den Geschlechtern gelten. Eine faire Entlohnung ist die Grundlage dafür, dass Frauen in jeder Lebensphase wirtschaftlich unabhängig sind. Und sie ist die Basis für mehr Partnerschaftlichkeit. Deshalb brauchen wir ein noch stärkeres Entgelttransparenzgesetz, das Unternehmen und Verwaltungen verpflichtet, ihre Entgeltpraxis im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit zu überprüfen - und das gleichzeitig Verfahren festlegt, wie festgestellte Ungleichheiten beseitigt werden, ohne dass sich Betroffene selbst darum kümmern müssen.

  1. Eine gerechte Aufteilung von Erwerbs- und Familienaufgaben

Bei allen Fortschritten in der Vereinbarkeit von Familienarbeit und Beruf: Wer sich für Kinder entscheidet und sie bei ihrem Start ins Leben bestmöglich begleiten will, kann über viele Jahre nicht so arbeiten, als wenn er oder sie keine Kinder hätte. Das gilt zumal dann, wenn neben der Kindererziehung noch Alltagshilfe oder Pflege für ältere Angehörige zu leisten ist. Und es gilt, das haben wir in der Corona-Krise gesehen, für Frauen noch immer sehr viel mehr als für Männer.
Deshalb brauchen wir auch weiterhin massive Investitionen in den Ausbau von Kitas und Ganztagsbetreuung. Und wir brauchen mehr Zeit für Familien – verbunden mit noch mehr Anreizen für Männer, sich diese Zeit zu nehmen und die Aufgaben in Beruf und Familie gerecht aufzuteilen. Für uns geht es dabei um Verbesserungen in vier Bereichen:
Erstens um zwei Wochen Partnerzeit direkt nach der Geburt eines Kindes, auf die jeder Vater bzw. die Partnerin/der Partner kurzfristig und sozial abgesichert Anspruch hat. Sie unterstützt Familien mit Kindern in ihrer allerersten Phase und schafft die Voraussetzungen für eine gerechtere Aufteilung von Sorgeaufgaben.
Zweitens um eine Familienarbeitszeit, die aus dem derzeitigen Partnerschaftsbonus beim ElterngeldPlus eine flexible, geförderte Elternteilzeit nach dem ersten Lebensjahr eines Kindes macht. Wenn in Paarfamilien beide Elternteile gleichzeitig oder Alleinerziehende ihre Arbeitszeit reduzieren, sollen sie je 10 Monate ElterngeldPlus erhalten – mindestens 200 und höchstens 900 Euro. Diese Leistung muss am Stück oder in Teilabschnitten so lange genutzt werden können wie auch der Anspruch auf Elternzeit gilt. Denn auch jenseits des Kleinkindalters brauchen Eltern Zeit für ihre Kinder.
Drittens geht es um eine dauerhafte Ausweitung der sogenannten Kinderkrankentage auch über die Pandemie hinaus - auf 20 Tage pro Kind, Jahr und Elternteil, maximal 90 Tage pro Paar oder Alleinerziehenden. Die Kinderkrankentage waren schon vor Corona oft zu knapp - gerade bei jüngeren Kindern, die in den ersten Kita-Jahren häufig krank werden.
Und schließlich geht es viertens um eine Familienpflegezeit, die pflegenden Angehörigen dabei hilft, die Pflege mit Erwerbsarbeit zu kombinieren – mit einem Teillohnersatz für bis zu 15 Monate, der auf mehrere Personen aufteilbar ist. Wichtig ist dabei, dass Unternehmen gezielt auch die Männer ermutigen, dieses Modell zu nutzen.
Damit Frauen und Männer die Herausforderungen in Beruf und Familie partnerschaftlich bewältigen können.

  1. Mehr Frauen in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft

Wenn mehrheitlich Männer in der Politik entscheiden, dann fehlen wichtige Sichtweisen. Deshalb sind mehr Frauen in der Politik wichtig. Frauen wie Saskia Esken, Klara Geywitz, Serpil Midyatli und Anke Rehlinger in unserer Parteiführung. Frauen wie Malu Dreyer, Franziska Giffey, Katja Pähle und Manuela Schwesig, die in diesem Jahr für Spitzenämter in den Ländern kandidieren. Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung. Und trotzdem sind und waren Frauen in keinem deutschen Parlament zur Hälfte vertreten. In vielen Parlamenten geht der Frauenanteil sogar wieder zurück. Deshalb brauchen wir Paritätsgesetze für den Bundestag, die Länder und Kommunen.

Und auch für eine erfolgreiche Wirtschaft brauchen wir geschlechterparitätische und diverse Arbeitsteams, Unternehmensführungen und Aufsichtsräte. Derzeit aber sitzt in der Topetage vieler deutscher Firmen keine einzige Frau. Deshalb ist es so wichtig, dass die SPD mit Franziska Giffey und Christine Lambrecht als den zuständigen Ministerinnen unterstützt von der Zivilgesellschaft nun nach zähem Ringen mit der Union einen Durchbruch erzielt hat: Die Ausweitung des Führungspositionen-Gesetzes soll noch in dieser Legislaturperiode kommen. Damit muss in den Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern bei Neubesetzungen in Zukunft mindestens eine Frau sein. Die Entwicklung in den bereits jetzt weiblich mitgeführten Unternehmen zeigt, dass der damit verbundene Kulturwandel sich auch auf alle anderen Frauen in den Unternehmen positiv auswirken wird. Wir dürfen daher hier nicht nachlassen und müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das Gesetz wie geplant bis zum Sommer im Bundestag beschlossen wird.

  1. Diskriminierungsfreiheit in der Welt der Daten

Algorithmen spielen im Arbeitsleben eine immer größere Rolle. Wo der Einsatz von Algorithmen, zum Beispiel bei der Personalrekrutierung, über die Zukunft von Menschen mitentscheidet, dürfen sie niemals diskriminieren. Wir wollen verantwortungsvolle Künstliche Intelligenzen (KI) und Algorithmen, die vorurteilsfrei programmiert sind und auf diskriminierungsfreien Datenlagen basieren. Dies soll regelmäßig geprüft und zertifiziert werden.
Frauen haben besondere gesundheitliche Bedürfnisse, die bei ihrer Gesundheitsversorgung und der Prävention berücksichtigt werden müssen. Doch in der medizinischen Forschung wird zumeist mit Daten von männlichen Probanden geforscht – das werden wir ändern.