Berlin, den 23. Juni 2021. Das Wirtschaftsforum der SPD e.V. hat heute im Rahmen der Digitalkonferenz "Die ökonomische Verfassung Europas" über die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der EU und die notwendigen Weichenstellungen für die Zukunft diskutiert.

Es herrschte Einigkeit darüber, dass die Corona-Pandemie die bereits vorhandenen ökonomischen Ungleichgewichte der EU noch weiter verstärkt habe. Notwendig sei nun eine integrierte Industriepolitik und massive Anschubinvestitionen, um die ökologische und digitale Transformation erfolgreich zu bewältigen.

Matthias Machnig, Vizepräsident des SPD-nahen Wirtschaftsverbands, betonte: "In der Corona-Krise hat sich abermals gezeigt, was Jean Monnet bereits zu Gründungszeiten der EU postuliert hat: Die europäische Integration wächst aus den Krisen und den Antworten, die darauf gefunden werden. Der EU Recovery Fund stellt einen Meilenstein für die fiskalpolitische Integration dar." Nun sei es aber wichtig, die Programme ins Laufen zu bringen und dafür zu sorgen, dass die finanziellen Mittel auch abfließen und investiert werden könnten. "Die Herausforderungen, die vor uns liegen, erfordern massive Investitionen. Hier ist auch eine Reform des EU-Wettbewerbs- und Beihilferechts notwendig. Nach der Krise darf es kein Zurück zu früheren Zeiten der Austeritätspolitik geben", so Machnig weiter.

"Von je her wies die Europäische Wirtschaftsverfassung eine ordoliberale Prägung auf. Im Zuge der Eurozonenkrise wurden die wirtschaftlichen Governance-Institutionen der Wirtschafts- und Währungsunion noch einmal so nachgeschärft, wie es in etwa ordoliberalen Vorstellungen entsprechen würde, von daher ließ sich in diesem Zusammenhang von einer Tendenz zur Ordoliberalisierung Europas sprechen", sagte Thomas Biebricher, Associate Professor an der Copenhagen Business School. "Eine neue Wendung hat diese Konstellation aber im Zuge der Corona-Krise und vor allem der Verabschiedung des europäischen Wiederaufbaufonds inklusive gemeinsamer Schuldenaufnahme genommen. Die Auseinandersetzung um die wirtschaftspolitische Ausrichtung Europas steht nun vor einer neuen, womöglich entscheidenden Runde", so Biebricher weiter.

Der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung und frühere Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz machte deutlich: "In einer der schwersten Krisen, die die EU je durchlebt hat, und in der hunderttausende Menschen in Europa ihr Leben verloren haben, ist der EU ein wichtiger Schritt gelungen. Die Tatsache, dass die EU-Kommission nun eigenständig Mittel an den Finanzmärkten aufnehmen kann, ist eine Souveränitätsübertragung, die es bis dato so nicht gab. Europa hat dies gemeinschaftlich organsiert und damit die Grundlage geschaffen, dass es nach Corona in ganz Europa wieder aufwärts geht."